Allgemein
Hunde geben uns so viel …
Es ist nicht nur die Freude, die wir beim Besuch unserer Klienten in deren Augen sehen, wenn sie einen unserer Hunde erblicken. Wenn wir mit unseren Hunden hereinkommen, werden Glücksgefühle ausgeschüttet und es entsteht erst einmal ein gutes Gefühl bei unseren Klienten. Die erste Frage gilt meist unseren Hunden, selbst die erste Begrüßung fällt unseren Vierbeinern zu, die dann sofort gestreichelt und geknuddelt werden. Erst im Anschluss wird sich nach unserem Befinden erkundigt. Unsere Hunde sorgen dafür, dass die Klienten sich angenommen fühlen. Egal, was sie haben, egal mit welcher Behinderung sie leben müssen, die Hunde finden die Klienten toll. Sie haben ein Aufforderungscharakter,
motivieren uns Menschen, senken die Isolation, sorgen für soziale Kontakte, trösten, wenn es uns nicht gut geht und haben diesen nahen Körperkontakt, den wir als Therapeuten in der Art nicht geben können, weil wir eine gewisse Distanz aufrechterhalten müssen. Unsere Klienten können unsere Hunde auf den Schoß nehmen, wenn sie das möchten, können sie mit ins Bett nehmen, mit ihnen kuscheln. Und unsere Hunde wollen das eigentlich auch immer. Dadurch, dass unsere Hunde die Klienten schon so lange kennen, haben sie auch schon eine Vertrauensbeziehung aufgebaut und suchen sofort, wenn die Decke ausgebreitet wird, Körperkontakt zum Menschen. Streicheleinheiten sind so toll und das bestärkt unsere Klienten in ihrem Selbstwertgefühl. Das ist so schön zu sehen, gerade wenn es unseren Klienten nicht so gut geht.
Hunde sind authentisch
Hunde sind natürlich das, was Menschen meistens nicht sind: authentisch, ehrlich und echt. Wenn Hunde sich freuen, dann ist das echt und nicht vorgespielt. Wenn Hunde jemanden mögen, dann tun sie es auch, ohne etwas zu erwarten. Ich versuche selbst authentisch zu sein, und mag Leute nicht, die falsch sind, die etwas sagen, was sie so nicht meinen, oder die dir vorspielen, dass sie dich mögen, nur um hinter deinem Rücken schlecht von dir zu sprechen. Das habe ich wohl von meinen Hunden. Die letzten 35 Jahre, die ich mit Hunden zusammengelebt habe, habe ich das scheinbar übernommen, echt und authentisch zu sein. In meinen Augen ist das das Beste, was es gibt. Und das merken unsere Klienten natürlich auch. Menschen werden immer mal wieder enttäuscht, doch unsere Hunde enttäuschen uns nie. Klar bauen sie mal Mist, aber ich habe noch nie wirklich meine Beziehung zu meinen Hunden infrage gestellt, nie und nimmer. Der Hund ist halt ein Partner fürs Leben. „Ein Hund wedelt sein Schweif mit dem Herzen.“ (Martin Buxbaum)
Achtung: Kuschelhormonausschüttung
Durch den Umgang – da reicht selbst Blickkontakt – mit den Hunden wird das Hormon Oxytocin ausgeschüttet, von Seiten des Menschen, aber auch von Seiten des Hundes. Das ist das sogenannte Bindungshormon, was eine tiefe Verbundenheit auslöst. Das Hormon reduziert Angst und Stress. Das merken wir vor allem bei unseren Klienten, die psychisch ein Handicap haben. Wir haben da zum Beispiel eine Klientin, die soziale Phobien hat. Wenn wir mit ihr durch die Innenstadt laufen und die Hunde kommen mit, reduziert das deutlich die Angst und auch den Stress. Das merkt man schon. Zusätzlich dämpft das Oxytocin natürlich auch Aggressionen und macht uns sympathischer. Man nennt es ja auch Kuschelhormon. Ein weiterer positiver Effekt ist, dass unser Immunsystem durch Hunde gestärkt wird, allein schon durch das Nach-draußen-Gehen. Man sagt, die Beziehung von Mensch und Hund ist geprägt von nonverbaler (wortloser) Kommunikation und tiefem Vertrauen. Hunde und Menschen verstehen sich also „blind“, wie man so schön sagt.
Der Hund – der perfekte Co-Therapeut
Deshalb finde ich auch Ergotherapie in Verbindung mit einem Therapiebegleithund so schön, weil wir zur Aufgabe haben, die Teilhabe eines Menschen am Leben zu fördern. Egal in welche Richtungen es geht, ob es in der Arbeitswelt ist, im privaten Leben, im Haushalt, im alltäglichen Leben, in der Freizeit, wir versuchen im Allgemeinen die Lebensqualität und diese Teilhabe am Leben bei einem Menschen zu fördern. Wir bekommen einen Menschen mit einer Diagnose, mit den Fähigkeiten und Fertigkeiten, die er besitzt, und versuchen daraus das Bestmögliche herauszuholen ggf. auch die vorhandenen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern. Zudem gehört es auch zu unserer Aufgabe, dass der Klient – so gut es eben geht – lernt, auch mit der Situation, in der er steckt, umzugehen. Und der Hund fördert das Ganze natürlich. Er ist ein perfekter Co-Therapeut. Wir sorgen für die Genesung, Besserung oder den Ausgleich von Einschränkungen im Leben und natürlich auch für Linderung von Schmerzen. Manchmal geht es nur darum.
Ergotherapeuten sind Coaches
Wenn wir Klienten haben, die so viel Schreckliches, auch gerade im psychischen Bereich, erlebt haben, die jahrelang missbraucht, vergewaltigt worden sind, die von ihren Eltern das Gefühl vermittelt bekommen haben, du bist nichts wert und ich bereue, dass ich dich geboren habe, dann ist es unser oberstes Anliegen, ihnen aufzuzeigen, dass das, was sie erlebt haben, nicht richtig war. Wir wollen diesen Klienten eine andere Welt zeigen und dafür sorgen, dass sie für den Rest ihres Lebens Linderung erfahren. Ich habe mal in einer Fortbildung gehört – und das fand ich wirklich toll –, Ergotherapeuten seien Coaches. Und es stimmt. Wir coachen das Leben anderer Menschen – in sämtlichen Lebensbereichen. Und das ist eine schöne Arbeit und auch eine sehr anstrengende. Unser Co-Therapeut steht uns da sehr erfolgreich zur Seite, denn die Motivation der Menschen ist noch mal eine ganz andere, wenn da ein Hund dabei ist. Allein schon die Motivation, die Termine mit uns wahrzunehmen, das sind die Hunde.
Was hätten wir nur ausrichten können, wenn wir früher da gewesen wären …
Was mich bisschen traurig macht in unserer Arbeit sind die Momente, wenn ich feststelle, dass wir Ergotherapeuten gefehlt haben. Was hätten wir verändern können, wenn dieser oder jener Klient früher zu uns gekommen wäre. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist ein Klient, den ich bis vor Kurzem – und leider auch nicht lange – betreut hatte. Der Mann war mit gerade einmal 55 Jahren ins Pflegeheim gekommen und sollte durch uns Ergotherapeuten behandelt werden. Die Tochter, ich schätze sie mal auf 25 Jahre, erzählte mir die tragische Geschichte ihres Vaters. Der Mann verlor früh seine Ehefrau. Was dann folgte waren Depressionen durch die Einsamkeit, das Alleinsein, die er auch im Alkohol versuchte zu ertränken. Hinzu kam eine Krankheit, die ihn fast blind werden ließ, einzelne Umrisse konnte er noch erkennen. Der Mann lebte allein in seiner Wohnung und kam relativ gut zurecht. Die Tochter erzählte, dass nie Ergotherapeuten da gewesen waren. Wenn jemand in einer solchen Lage steckt und blind wird, da können Ergotherapeuten helfen. Dafür sind wir doch da, auch, um ihm aufzuzeigen, was für Hilfsmittel es gibt, damit er sich im Alltag besser zurechtfindet. Da haben wir gefehlt! Diese wahnsinnig große Veränderung im Leben des Mannes, also auf der einen Seite der Verlust des Ehepartners und auf der anderen Seite das Verlieren der Sehkraft, stellte einen großen Einschnitt in seinem Leben dar. Welcher Kontrollverlust einem Menschen blüht, der einen seiner Sinne verliert, habe ich in meinem letzten Blogbeitrag aufgeführt. [HIER KANNST DU JA EINEN LINK ZUM LETZTEN BLOGBEITRAG EINFÜGEN] Er muss sich komplett neu strukturieren. Warum hatte er da schon keine Hilfe bekommen? Natürlich stellt sich auch die Frage, hätte er die Hilfe auch angenommen? So, wie ich ihn die erste Zeit kennengelernt habe, würde ich sagen, er wäre dankbar dafür gewesen.
Eines Tages wollte er sich eine Tasse Kaffee oder einen Tee zubereiten. Dabei kippte das heiße Wasser um und lief ihm über die Füße. Er kam ins Krankenhaus, das er wegen seiner schweren Verbrennungen lange nicht verlassen konnte. Seine Brandwunden wollten nicht richtig heilen und durch die hinzukommenden Durchblutungsstörungen wurde das Gewebe aufgrund der mangelnden Sauerstoffversorgung zerstört. Tatsächlich musste ihm ein Bein amputiert werden. Während dieser OP erlitt er einen Schlaganfall und kam im Anschluss bettlägerig in die soziale Einrichtung, wo ich ihn kennenlernte. Konnte er vor der OP noch mit dem Rollator laufen, so war jetzt nichts dergleichen mehr möglich. Es war das reinste Elend. Die Tochter wünschte sich, dass ihr Vater wieder so einigermaßen auf die Beine käme. Ihr Vater mochte Hunde, und so wäre es schön für ihn gewesen, wenn ich ihn mit meinen Co-Therapeuten hätte besuchen können. Doch leider hatte er sich noch einen Keim eingefangen, der ein solches Unterfangen unmöglich machte, ihm den Kontakt zu den Hunden verwehrte. Zumindest vorerst. Doch sein Zustand verbesserte sich nicht, sondern es stand immer schlimmer um ihn. Letztendlich verstarb er nach etwa 8 Wochen mit nur 55 Jahren.
Wo waren die Ergotherapeuten?
Ich denke, wären wir Ergotherapeuten – auch gerade mit Hund – doch nur eher bei ihm gewesen, vielleicht hätten wir etwas ausrichten können. Nein, ich bin mir sicher, dass wir ihm hätten helfen können. Schon zu dem Zeitpunkt, als er seine Fähigkeit zu sehen verlor, hätten wir zur Stelle sein müssen und ihm Hilfestellung bieten können. Vielleicht hätten wir den Unfall mit dem heißen Wasser verhindern können. Warum hatte ein Arzt nicht eine Ergotherapie verschreiben können? Möglicherweise wusste der Arzt (und auch andere Menschen) nicht, wozu wir Ergotherapeuten in der Lage sind, was wir mit unseren vierbeinigen Co-Therapeuten bei den Menschen erreichen können. Natürlich nicht bei allen, das muss klar gesagt werden, aber wir können bei manchen Menschen einiges bewirken. Das Alter spielt dabei keine Rolle. Selbst wenn sie 95 Jahre alt sind, können wir das Gedächtnis auf Vordermann bringen, können wir für ein angenehmeres Leben sorgen.
Wir hätten nicht nur dem 55-jährigen Mann helfen können, sondern auch der Tochter. Wir Ergotherapeuten leisten, was viele nicht wissen, auch Angehörigenarbeit. Wir hätten die Tochter unterstützen können. Nicht immer ist es möglich, sich rund um die Uhr um seine Angehörigen zu kümmern, sei es, weil man weiter weg wohnt, oder einfach berufstätig ist.
Deshalb sind uns viele Angehörige auch dankbar, dass wir da sind, dass wir ein-, zwei-, dreimal die Woche zu den Klienten hinfahren und schauen, ob alles in Ordnung ist. Wir haben engen Kontakt per Telefon oder Whatsapp mit den Angehörigen und informieren sie, wenn was sein sollte, halten sie auf dem aktuellen Stand. Das ist beruhigend für die Angehörigen, dass jemand noch mal zusätzlich schaut.
Der 55-jährige Mann starb Ende Oktober, ich war an dem Tag morgens noch bei ihm bzw. wollte ich zu ihm. Da er aber Fieber hatte, haben die Pflegerinnen mich nicht zu ihm gelassen. Sie sagten mir, dass es ihm sehr schlecht gehe, dass er palliativ sei und dass sie mit dem Schlimmsten rechneten. Was hätten wir doch vielleicht noch mit ihm erreichen können? Sicher hätte er sich gefreut, wenn wir ihn einmal die Woche besucht hätten, natürlich nicht wegen mir, sondern wegen der Hunde, die ihn sicherlich glücklich gemacht hätten.
„Der Sinn des Lebens besteht darin, glücklich zu sein.“ (Dalai Lama)