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„Was war noch mal Ergotherapie?“ – Die Krux mit den Heilmitteln
Was viele nicht wissen, ist, dass Klienten ein Anrecht auf ein Rezept zur Physiotherapie, Logopädie oder Ergotherapie haben, wenn Bedarf besteht. Der Arzt könnte also ein Rezept ausstellen. Doch genau hier fängt das Dilemma an: Während sich die meisten in etwa noch vorstellen können, was Physiotherapie oder Logopädie leisten, wird es bei der Ergotherapie schwieriger.
In der Regel sollte der Arzt in der Lage sein, den Klienten aufzuklären, was ihm guttun könnte und welche Diagnosen von welchen Therapeuten behandelt werden können. Doch gerade was die Ergotherapie betrifft, so tappen doch einige Ärzte im Dunkeln, wie wir bei ErgoDog immer wieder feststellen müssen.
Das wichtigste Ziel der Ergotherapie ist die Wiederherstellung oder Verbesserung der Handlungsfähigkeit, die ein Mensch durch Krankheit oder Unfall ganz oder teilweise aufgeben musste. Handlungsfähigkeit bedeutet, dass der Mensch körperliche, kognitive, emotionale, soziale und interaktive Fertigkeiten besitzt, um an seiner Umwelt teilzunehmen und diese aktiv mitzugestalten. Bei der Ergotherapie steht der Mensch im Mittelpunkt der therapeutischen Intervention. Zusammen mit unserem Klienten erarbeiten wir auf Grundlage seiner noch vorhandenen Handlungsfähigkeit die ergotherapeutische Zielsetzung aus. Beispielsweise können die Grundziele der Ergotherapie bei einer unter psychischen Beschwerden leidenden Klientin die Entwicklung, der Erhalt und die Verbesserung der psychischen Grundleistungsfunktion sein. Darunter fällt zum Beispiel die Selbstständigkeit.
Im Medizinstudium werden Heilmittel nicht ausnahmslos vermittelt oder anders ausgedrückt: So mancher Arzt hat schlichtweg keine Ahnung – und das, obwohl Mediziner tagtäglich Rezepte für Heilmittel ausstellen. Wenn das Studium in dieser Hinsicht kein Wissen vermittelt hat, so müsste man doch annehmen, dass sich ein Arzt im Anschluss daran mit den ganzen Heilmittelberufen und deren Möglichkeiten auseinandersetzen würde. Wir von ErgoDog können bestätigen, dass das die wenigsten Ärzte tun. Natürlich steht für einen Mediziner die Wirtschaftlichkeit an erster Stelle. Von der Kassenärztlichen Vereinigung erhält der Doktor ein gewisses Budget, das er verbrauchen darf. Was darüber hinaus anfällt, muss er aus seinem eigenen Potpourri bezahlen. Dennoch wäre es wünschenswert, wenn sich die Ärzte darüber informieren würden, welche Möglichkeiten vorhanden sind. Beispielweise gibt es viele Diagnosen, die generell budgetfrei sind, oder durch einen Antrag auf Langfristgenehmigung (1 Jahr) budgetfrei werden. Einen Patienten zur Logopädie, Physiotherapie oder Ergotherapie zu schicken, ist manchmal viel hilfreicher, als ihn in eine Reha oder Psychiatrie zu überweisen. Gerade die Psychiatrieklienten profitieren von einer Ergotherapie, die neben der eigentlichen Psychotherapie sozusagen als Prävention laufen kann. Bevor ein Klient suizidgefährdet ist, können wir Ergotherapeuten schauen, ob das Netzwerk des Klienten ihm in seinem Leben Halt geben kann, sodass es nicht notwendigerweise zu einem Klinikaufenthalt kommen muss, der übrigens viel teurer als eine Therapie ist.
Nicht nur die Unwissenheit der Ärzte ärgert mich, sondern auch deren Einstellung zur tiergestützten Therapie. Wenn ein Arzt nichts mit Hunden anfangen kann oder Tiere generell nicht mag, dann haben wir von ErgoDog keine Chance. Die Ärzte denken nicht darüber nach, was für den Klienten das Beste sein könnte, sondern sie halten nichts von tiergestützter Ergotherapie und sehen keinen Sinn darin. Dass aber genau unsere Methode für so manchen Klienten genau das Richtige sein könnte und wir Fortschritte erzielen könnten, das geht in diesem „Ich mag Hunde nicht, also ist das auch nichts“-Getue völlig unter. Dabei müssten die Mediziner sich nur mal informieren oder unsere Berichte lesen, das wäre zumindest ein Anfang.
Eine Klientin von uns wollte von ihrer Neurologin und Psychiaterin ein Rezept für Ergotherapie bei ErgoDog haben. Die Ärztin fragte verblüfft: „Wieso? Sie haben doch keine Demenz.“ Unsere Klientin antwortete: „ErgoDog macht doch nicht nur Demenz. Es gibt auch andere Diagnosen, die ErgoDog behandeln kann.“ Es ist nicht einmal so, dass die Ärzte nicht genau wissen, was Ergotherapie ist, sie scheinen nicht einmal einen Plan davon zu haben, wie viele Diagnosen wir behandeln können. Von tiergestützter Therapie wage ich gar nicht zu sprechen.
Ein anderer Arzt wollte unserem Klienten auch kein Rezept verschreiben, weil er von Hunden generell nichts hielt. Ein weiterer meinte: „Die wollen ja nur Geld verdienen.“ Ja, das ist in gewisser Weise schon richtig. Natürlich wollen wir auch Geld verdienen, aber dass die Ärzte uns nicht zutrauen, dass wie im Sinne der Klienten handeln, das macht mich fassungslos. Dann gab es einen Mediziner, der sagte: „Da wird ja nur gestreichelt und gespielt.“ Am liebsten hätte ich diesem neunmalklugen Arzt den „Indikationsdialog Ergotherapie“ vom Deutschen Verband der Ergotherapeuten e. V. und mein eigenes selbstgeschriebenes Buch „Ergotherapie mit Hunden“ vorbeigebracht, damit er mal eine kleine Ahnung von unserem Tun erlangt. Allerdings habe ich ihn angerufen und ihm erklärt, er dürfe nicht einfach etwas sagen, wenn er keine Ahnung davon habe. Das grenze schon an übler Nachrede.
Ein Schlaganfall-Klient, der mittelgradig bis schwer betroffen ist und mit einer halbseitigen Lähmung leben muss, wollte auch ein Folgerezept bei seinem Hausarzt für Ergotherapie bei uns haben. Natürlich würde ich sagen, dass Ergotherapie bei ihm Sinn macht, gerade weil er in letzter Zeit wieder etwas abgebaut hat. Sein Arzt jedoch überwies ihn an einen Neurologen (der meinen Klienten nicht mal kannte), der entscheiden solle, ob Ergotherapie Sinn mache. Warum fragte der Arzt nicht uns? Wie kann der Neurologe urteilen, ob unsere Ergotherapie Sinn macht oder nicht? Das kann ich selbst doch wohl am besten beurteilen. Ebenso auch der Klient? Wieso wird der Klient nicht gefragt, wie es ihm mit der Therapie geht? Auf den Termin beim Neurologen musste unser Klient übrigens zwei Monate warten. Ich schrieb dem Arzt in dieser Zeit einen ausführlichen Bericht, damit er sich selbst ein Bild von der Notwendigkeit der Ergotherapie und den Fortschritten, die wir erzielt hatten, machen konnte. Seine Reaktion: Eine weitere Überweisung zum Neurologen, der noch immer entscheiden solle, ob Ergotherapie Sinn mache oder nicht.
Ein Arzt sollte nicht darüber nachdenken, was für ihn das Beste ist, sondern darüber, was für den Klienten das Beste ist. Wir Ergotherapeuten können schon einiges ausrichten, Schlimmeres verhindern. Und ich sage auch nicht, dass tiergestützte Therapie ein Allheilmittel ist, obwohl es zig Studien darüber gibt, wie hilfreich sie sein kann. Doch wenn es dem Klienten gut tut, warum wird dann ein Rezept verweigert?
Wir hatten mal einen Klienten aus einer sozialen Einrichtung, der an einer Herzklappenentzündung litt. Als sein Arzt, der ihm Ergotherapie verschrieben hatte, erfuhr, dass wir tiergestützt arbeiten, setzte er alles daran, dass die Behandlung mit uns stoppte. Unter anderem erzählte er seiner Frau, dass er Bedenken hätte bezüglich der tiergestützten Therapie, womöglich würde der Hund auch noch einen Herzinfarkt bei ihrem Mann auslösen. Ich war entsetzt. Ich war bisher immer der Meinung gewesen, dass ein Hund diesen eher verhindern würde. Zur Sicherheit telefonierte ich mit dem Schwarzkopfinstitut, das sich auf Mikroben und Viren spezialisiert hat. Der Professor bestätigte mir meine Vermutung. Auch er habe keinerlei Bedenken, dass sich der Zustand des Klienten durch die tiergestützte Therapie verschlechtern könne – höchstens verbessern. Ein Hund könne kein Herzinfarkt hervorrufen, da sei er zu 99 Prozent sicher. Natürlich gäbe es da immer noch ein gewisses Restrisiko. Genau das sagte ich der Frau des Klienten, doch diese hörte auf den Arzt, meinte, sie wolle dieses Risiko nicht eingehen.
Eine Klientin wollte ihre Ergotherapie bei uns von zweimal auf dreimal pro Woche aufstocken. Der Arzt meinte zu ihr, dass er das als nicht sinnvoll erachte. Sie fragte daraufhin verwundert, was genau er meine. Er antwortete: „Na, das mit dem Hund.“ Die Klientin sagte dem Arzt daraufhin, dass sie das doch wohl besser wissen müsse als er. Schließlich täte es ihr gut und warum sollten die Stunden dann nicht aufgestockt werden, wenn es doch positive Auswirkungen auf sie habe. Sie bekam ihr Rezept ausgestellt.
Doch was, wenn die Klientin nicht so taff gewesen wäre, sich nicht getraut hätte, dem Arzt im Prinzip zu widersprechen?
Bei einem anderen Klienten hatte der Arzt mit uns telefoniert und uns gesagt, dass der Klient eine Atemwegsinfektion hätte und wir daher doch erst mal ohne Hunde kommen sollten. Bei unserem Besuch war der Klient sehr erstaunt, weil er doch mit einem Hund gerechnet hatte. Ich erklärte ihm den Anruf seines Arztes, was ihn nur noch mehr verwunderte. Er sei mit Hunden groß geworden, habe niemals eine Allergie gegen Hundehaare gehabt und auch jetzt nicht einmal eine richtige Atemwegsinfektion, zumindest nichts Chronisches oder Allergisches. Wir fanden heraus, dass der Arzt einen Grund gesucht hatte, um die tiergestützte Therapie madig zu machen. Wir setzten – ebenfalls nach Absicherung mit dem Schwarzkopfinstitut – ein Schreiben auf, dass der Klient trotz Einwand des Arztes den Hund bei der Ergotherapie begleitend dabeihaben wollte, denn schließlich kann ein Klient das selbst entscheiden.
Diese Vorurteile, wir würden nur mit dem Hund spielen oder ließen ihn von den Klienten streicheln und daher fände keine richtige Therapie statt, sind natürlich Blödsinn. Wir arbeiten hauptsächlich begleitend, was den meisten Klienten ja schon reicht. Das heißt, wir machen normale Ergotherapie und der Hund ist begleitend dabei. Ab und zu wird der Hund zielgerichtet eingesetzt, sodass eine Arbeit zwischen Klient und Hund stattfindet, wobei der Klient zusätzlich gefördert wird. Wir können den Hund überhaupt nicht permanent zielgerichtet einsetzen, das würde eine totale Überforderung der Hunde nach sich ziehen.
Ärzte, die Hunde nicht mögen, werden immer etwas gegen unsere Arbeit haben und versuchen, uns Steine in den Weg zu legen. Die einzige Chance, die wir haben, ist, unseren Bekanntheitsgrad zu erhöhen, damit wir in aller Munde sind, dass unsere Arbeit, die wir leidenschaftlich gerne und erfolgreich tun, Anerkennung findet. Wir leisten Aufklärungsarbeit in den sozialen Medien wie Instagram, Facebook und sind mit unserer Homepage im Internet vertreten. Natürlich erreichen wir so nur die jüngere Generation, was uns langfristig jedoch zugutekommen wird.
Allerdings haben wir auch Klienten, die haben zwei Ergotherapie-Rezepte verschrieben bekommen mit unterschiedlichen Diagnosen. Gerade weil der Schweregrad im psychischen und neurologischen Bereich so hoch war, sodass die Ärzte die Notwendigkeit erkannt haben. Bei diesen Ärzten scheint der Patient und dessen Wohlbefinden im Mittelpunkt zu stehen.
Normalerweise kann man mit Ergotherapie schon viel erreichen, vorausgesetzt, der Klient beteiligt sich. Wenn dies nicht der Fall ist und wir sehen, dass die Ergotherapie wirklich nichts bringt, dann kommt es auch vor, dass wir einer Verlängerung der Therapie nicht zustimmen und sie auch abbrechen. Zwar kommt dies selten vor, aber das gibt es natürlich auch. Gerade vor Kurzem hatte ich eine schwerst mehrfachbehinderte Klientin, die so unkooperativ war – nicht nur bei mir, sondern auch in der Einrichtung –, dass eine Ergotherapie sowohl mit als auch ohne Hund einfach keinen Sinn mehr gemacht und ich diese abgebrochen hatte.
Wir haben einen Arzt, der verschreibt entweder Physiotherapie ODER Ergotherapie. Das hat er mal wortwörtlich so gesagt. Ehrlich gesagt zweifele ich an dessen Kompetenz. Ein schwerst betroffener Schlaganfall-Klient benötigt zum Beispiel sowohl Physiotherapie als auch Ergotherapie. Sollte er zudem noch unter einer Aphasie leiden, also Schäden am Sprachzentrum davongetragen haben, dann braucht er zusätzlich noch Logopädie. Dann gibt es Mediziner, die verschreiben grundsätzlich nur einmal pro Woche Ergotherapie, ganz egal, unter welcher Erkrankung der Klient leidet oder ob die Rezeptausstellung budgetfrei ist. Sollte es denn hier nicht um den Klienten gehen? Man muss doch fragen, was sinnvoll ist, was dem Klienten gut tut. Bei einem Klienten mit psychischen Beschwerden reicht in der Regel Ergotherapie einmal die Woche, wenn es akut ist, dann wäre zweimal die Woche besser.
Schade, dass wir Therapeuten diesbezüglich keine Entscheidungsfreiheiten haben. Sicherlich gibt es auch unter den Therapeuten schwarze Schafe, die dies ausnutzen würden. Doch wir von ErgoDog wollen einfach nur das Beste für unsere Klienten und wir würden uns wünschen, dass unsere Empfehlung etwas mehr Gewicht hätte, dass uns die Ärzte mehr vertrauen, von unserer Kompetenz überzeugt sind.
Natürlich haben wir auch schon viel positive Erfahrung in dieser Hinsicht gemacht. Es gibt einige Ärzte, die unsere Arbeit schätzen, die wissen, was Ergotherapie ist und welche Diagnosen wir behandeln können, die zudem von unserer tiergestützten Arbeit begeistert sind und die sich auch mit uns in Verbindung setzen, um mehr zu erfahren. Doch leider zu wenige.